Anspruch des Netzbetreibers auf Rückzahlung von Einspeisevergütung
BGH bestätigt Anspruch des Netzbetreibers auf Rückzahlung von Einspeisevergütung wegen unterbliebener Meldung einer Photovoltaikanlage bei der Bundesnetzagentur
Urteil vom 5. Juli 2017 – VIII ZR 147/16
Der Bundesgerichtshof hat sich heute in einer Entscheidung mit der Frage befasst, unter welchen Voraussetzungen ein Netzbetreiber vom Betreiber einer Photovoltaikanlage die Rückzahlung einer Einspeisevergütung nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) verlangen kann, wenn letzterer es unterlassen hat, seine neue Anlage bei der Bundesnetzagentur zu melden.
Der vorliegende Rechtsstreit gehört zu einer Serie ähnlich gelagerter Rückzahlungsklagen des klagenden Netzbetreibers, die – nach Zulassung der Revision durch die Berufungsgerichte – ebenfalls beim VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs anhängig sind
Sachverhalt und Prozessverlauf:
Der Beklagte, ein Landwirt, betreibt auf seinem Grundstück in Schleswig-Holstein eine Photovoltaik-Dachanlage. Diese nahm er im Frühjahr 2012 in Betrieb und speiste sodann den damit erzeugten Strom in das Stromnetz der klagenden Netzbetreiberin ein.
Vor der Inbetriebnahme der Anlage hatte der Beklagte ein ihm von der Klägerin übersandtes Formblatt mit Angaben zu der Anlage ausgefüllt und unterzeichnet. Dieses Formblatt trägt die Überschrift „Verbindliche Erklärung zur Ermittlung der Förderfähigkeit und der maßgeblichen Vergütungshöhe für Strom aus Photovoltaikanlagen nach dem […] Erneuerbare-Energien-Gesetz-EEG“. Die in dem Formblatt unter anderem gestellte Frage, ob der Standort und die Leistung der Photovoltaikanlage der Bundesnetzagentur gemeldet worden seien, bejahte der Beklagte. Weiter heißt es in dem Formblatt (unmittelbar über der Unterschrift des Beklagten): „Der Betreiber der Stromerzeugungsanlage versichert hiermit, dass die vorstehenden Angaben der Wahrheit entsprechen. […]. Sofern vorstehende Angaben des Betreibers der Stromerzeugungsanlage unzutreffend sein sollten, behält sich der Netzbetreiber eine verzinsliche Rückforderung gezahlter Einspeisevergütungen im entsprechenden Umfang vom Betreiber der Stromerzeugungsanlage vor.“
In dem Zeitraum vom 7. Juni 2012 bis zum 5. November 2014 zahlte die Klägerin an den Beklagten eine Einspeisevergütung nach den Fördersätzen des EEG in Höhe von insgesamt 52.429,40 €. Im Herbst 2014 stellte die Klägerin fest, dass der Beklagte die vorbezeichnete Meldung der Anlage bei der Bundesnetzagentur nicht vorgenommen hatte. Am 6. November 2014 holte der Beklagte diese Meldung nach.
Aufgrund der bis dahin unterbliebenen Meldung korrigierte die Klägerin ihre Abrechnungen dahingehend, dass dem Beklagten für den Zeitraum vom 7. Juni 2012 bis zum 31. Juli 2014 gemäß dem für diesen Zeitraum anzuwendenden § 17 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a EEG 2012* nur ein Anspruch auf Vergütung des eingespeisten Stroms nach dem Marktwert und für den darauf folgenden Zeitraum vom 1. August 2014 bis zum 5. November 2014 nach § 25 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EEG 2014*** gar keine Vergütung zustehe. Sie forderte von dem Beklagten daraufhin gemäß § 35 Abs. 4 Satz 1, 3 EEG 2012** und § 57 Abs. 5 Satz 1, 3 EEG 2014**** die Rückzahlung der um den – rechnerisch unstreitigen – Marktwert von 6.890,85 € (für den erstgenannten Zeitraum) verringerten Einspeisevergütung, mithin einen Betrag von 45.538,55 €.
Mit der vorliegenden Klage verlangt die Klägerin von dem Beklagten die Rückzahlung dieses Betrages nebst Zinsen. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Die hiergegen gerichtete Berufung des Beklagten hat das Oberlandesgericht zurückgewiesen. Mit der vom Oberlandesgericht zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte sein Klageabweisungsbegehren weiter.
Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs:
Der unter anderem für das Energielieferungsrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass die Voraussetzungen für einen Anspruch des klagenden Netzbetreibers auf Rückzahlung der Einspeisevergütung nach § 35 Abs. 4 Satz 1, 3 EEG 2012** und § 57 Abs. 5 Satz 1, 3 EEG 2014**** im vorliegenden Fall gegeben sind.
Das Erneuerbare-Energien-Gesetz macht den Anspruch der Betreiber neuer Photovoltaikanlagen auf (vollständige) Einspeisevergütung bereits seit 2009 davon abhängig, dass diese den Standort und die Leistung ihrer Anlage der Bundesnetzagentur melden. Einen Verstoß gegen die vorgenannte Pflicht sanktionierte der – vorliegend für den Zeitraum bis zum 31. Juli 2014 anwendbare – § 17 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a EEG 2012 dadurch, dass sich der Vergütungsanspruch für die Dauer des Pflichtverstoßes auf die Höhe des tatsächlichen Monatsmittelwerts des energieträgerspezifischen Marktwerts verringerte. Durch den – vom 1. August 2014 bis zum 31. Dezember 2016 anwendbaren – § 25 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des EEG 2014 verschärfte der Gesetzgeber die Sanktionierung für Meldeverstöße und bestimmte, dass sich der anzulegende Wert der finanziellen Förderung „auf null“ verringerte, solange der Anlagenbetreiber die zur Registrierung erforderlichen Angaben für den Eintrag in das bei der Bundesnetzagentur betriebene Anlagenregister nicht übermittelte. Eine zeitnahe und umfassende Registrierung neuer Anlagen – und dementsprechend eine starke Sanktionierung versäumter Meldungen – hat der Gesetzgeber als erforderlich betrachtet, um das System des so genannten „atmenden Deckels“ umzusetzen, nach dem die allmähliche Absenkung der Einspeisevergütung für Photovoltaikanlagen geordnet ist. Hiernach ziehen höhere Zubauzahlen bei den geförderten Anlagen grundsätzlich eine stärkere Absenkung der Einspeisevergütung nach sich.
Ein Netzbetreiber verhält sich mit seinem Rückforderungsbegehren gegenüber dem Anlagenbetreiber auch dann nicht – wie der Beklagte meint – treuwidrig, wenn er selbst nicht vom zuständigen Übertragungsnetzbetreiber auf entsprechende Rückzahlung in Anspruch genommen wird. Denn der Netzbetreiber muss die zurückgeforderten Vergütungen bei der folgenden Abrechnung mit dem Übertragungsnetzbetreiber zwingend als eigene Einnahmen berücksichtigen – unabhängig davon, ob der Übertragungsnetzbetreiber einen entsprechenden Anspruch gegen ihn geltend gemacht hat. Der Rückforderungsanspruch und die damit korrespondierende Rückforderungspflicht nach § 35 Abs. 4 Satz 1, 3 EEG 2012 und § 57 Abs. 5 Satz 1, 3 EEG dienen nicht dem eigenen Interesse des Netzbetreibers, sondern vielmehr dem Interesse der Allgemeinheit, das System des EEG-Belastungsausgleichs nicht mit gesetzlich nicht vorgesehenen Vergütungen zu belasten und so die Kosten der Energiewende möglichst gering zu halten.
Ebenso wenig kann sich der Beklagte vorliegend darauf berufen, die Klägerin habe ihn über die gesetzlichen Meldepflichten nicht hinreichend aufgeklärt und er könne aufgrund dessen mit einem entsprechenden Schadensersatzanspruch aufrechnen. Abgesehen davon, dass dem Beklagten bei verständiger und objektiver Betrachtung des ihm übersandten Formblattes klar sein musste, dass (auch) eine Missachtung seiner Meldepflicht gegenüber der Bundesnetzagentur die Rückforderung der von der Klägerin an ihn gezahlten Einspeisevergütung zur Folge haben könnte, besteht eine diesbezügliche Aufklärungspflicht des Netzbetreibers grundsätzlich nicht. Der Anlagenbetreiber ist vielmehr selbst für die Erfüllung seiner Meldepflichten verantwortlich. Ihm obliegt es, sich über die geltende Rechtslage und die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme der Förderung nach dem EEG zu informieren.
Schließlich verstößt die für den Fall einer Nichterfüllung der Meldepflicht des Anlagenbetreibers vorgesehene Sanktionierung durch teilweisen oder vollständigen Wegfall der Einspeisevergütung auch nicht gegen den verfassungsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Wie der Senat bereits mehrfach entschieden hat, steht dem Gesetzgeber – auch im Bereich des Energierechts – ein weiter Gestaltungsspielraum zu, auf welche Weise er ein als förderwürdig erachtetes Verhalten unterstützen will. Die Verringerung der Einspeisevergütung auf den Marktwert (EEG 2012) beziehungsweise „auf null“ (EEG 2014) hat der Gesetzgeber ersichtlich im Bewusstsein der damit für die Anlagenbetreiber verbundenen Härten, aber auch im Hinblick darauf gewählt, dass eine Nichtmeldung oder eine nicht rechtzeitige Meldung von Anlagen in relevanter Anzahl beziehungsweise Größe zu hoch berechnete Fördersätze und damit eine dem Gesetz nicht entsprechende nachteilige Kostenwirkung für die Allgemeinheit zur Folge hat.
Vorinstanzen:
Landgericht Itzehoe – Urteil vom 26. Oktober 2015 – 3 O 157/15
Oberlandesgericht Schleswig – Urteil vom 21. Juni 2016 – 3 U 108/15
Karlsruhe, den 5. Juli 2017
*§ 17 EEG 2012
(1) […]
(2) Der Vergütungsanspruch […] verringert sich auf den tatsächlichen Monatsmittelwert des energieträgerspezifischen Marktwerts […],
1. solange Anlagenbetreiberinnen und Anlagenbetreiber von Anlagen zur Erzeugung von Strom aus solarer Strahlungsenergie […] den Standort und die installierte Leistung der Anlage nicht übermittelt haben an
a) die Bundesnetzagentur mittels der von ihr bereitgestellten Formularvorgaben […]
**§ 35 EEG 2012
[…]
(4) 1Zahlt ein Übertragungsnetzbetreiber dem Netzbetreiber eine höhere als in den §§ 16 bis 18 vorgesehene Vergütung oder eine höhere als in den §§ 33g und 33i vorgesehene Prämie, ist er zur Rückforderung des Mehrbetrages verpflichtet. 2Der Rückforderungsanspruch verjährt mit Ablauf des 31. Dezember des zweiten auf die Einspeisung folgenden Kalenderjahres; die Pflicht nach Satz 1 erlischt insoweit. 3Die Sätze 1 und 2 gelten im Verhältnis von aufnehmendem Netzbetreiber und Anlagenbetreiberin oder Anlagenbetreiber entsprechend, es sei denn, die Zahlungspflicht ergibt sich aus einer vertraglichen Vereinbarung. […]
***§ 25 EEG 2014
(1) 1Der anzulegende Wert […] verringert sich auf null,
1. solange Anlagenbetreiber die zur Registrierung der Anlage erforderlichen Angaben nicht nach Maßgabe der Rechtsverordnung nach § 93 übermittelt haben,
[…]
****§ 57 EEG 2014
[…]
(5) 1Zahlt ein Übertragungsnetzbetreiber dem Netzbetreiber eine höhere als im Teil 3 vorgesehene finanzielle Förderung, muss er den Mehrbetrag zurückfordern. 2Der Rückforderungsanspruch verjährt mit Ablauf des 31. Dezember des zweiten auf die Einspeisung folgenden Kalenderjahres; die Pflicht nach Satz 1 erlischt insoweit. 3Die Sätze 1 und 2 sind im Verhältnis von aufnehmendem Netzbetreiber und Anlagenbetreiber entsprechend anzuwenden, es sei denn, die Zahlungspflicht ergibt sich aus einer vertraglichen Vereinbarung. […]
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